„Wir überprüfen, ob der Zug von Wien nach Salzburg pünktlich ist und ob alle Waggons ankommen“, sagt Neurologe Markus Leitinger und beschreibt damit bildlich, was bei der Prüfung von Nervenbahnen im Gehirn, Rückenmark und Nerv vor sich geht. Neurophysiologische Untersuchungen wie das Evozieren von elektrischen Potentialen oder Elektroneurographie lassen Rückschlüsse auf die Gesundheit der Nervenfasern oder ihrer Hüllschichten zu. Für Menschen mit Multipler Sklerose oder Polyneuropathie eine nicht belastende Untersuchung mit sehr viel Informationsgehalt. Im Elektro-Enzephalogramm (EEG) werden die im Gehirn erzeugten Ströme genau untersucht, womit im Koma und bei Epilepsie wertvolle Rückschlüsse möglich werden. Leitinger sieht sich wie in der Jugend als Basketballer als „Teil eines fantastischen Teams“, das er als extrem motivierend erlebt. Der Wirkungsbereich schließt neben der Neurophysiologischen Einheit der Uniklinik für Neurologie, Neurologischen Intensivmedizin und Neurorehabilitation der PMU am Campus Christian-Doppler Klinik (CDK) auch die EEG-Versorgung der anderen SALK-Spitäler und des Unfallkrankenhauses mit ein.

Begonnen hat es eigentlich in der Oberstufe, an der HTL für Elektrotechnik. „Die technischen Lösungen von Menschen sind großartig, die Lösungen der Natur aber sind genial“, erinnert sich Markus Leitinger. Aus Interesse lernte er Biologie nach, begeisterte sich für die Präzision der Prozesse in der Natur, etwa, wenn sich Einzeller nach der Sonne ausrichten. Mit all diesem Wissen aber auch Leid mindern zu können, sei ihm ein Anliegen geworden. „Wenn alle gesund sind, darf man staunen. Wenn Menschen leiden, muss man anpacken.“ Daher letztlich das Medizinstudium und ein großes Engagement in der Forschung, das weit über die regulären Dienstzeiten hinausgeht. Die verbleibende Zeit gehört der Familie, die mit viel Verständnis hinter dem großen Einsatz steht.

Das EEG ist eines der wichtigsten Diagnoseinstrumente in der Neurologie. In Bahnen angeordnete Elektroden am Kopf zeichnen die Gehirnströme in mehreren Kurven am Computer auf. Auch Anfallsgeschehen wie bei Epilepsie werden zunächst via EEG untersucht. Der aus Oberösterreich stammende Markus Leitinger greift wieder zu einem bildlichen Vergleich: „Wenn Soldaten im Gleichschritt über eine Brücke gehen, entstehen Schwingungen, die die Brücke sogar zum Einsturz bringen können. Ähnlich ist es, wenn Nervenzellen ‚im Gleichschritt‘ arbeiten. Dieses ‚Zuviel an Synchronität‘ erzeugt die aussagekräftigen ‚Spikes‘ (Spitzen) oder sogar klinische Anfälle.“ Wenn jemand bewusstlos wird, kann es sich um Epilepsie handeln, aber auch einfach um kreislaufbedingtes Zusammenklappen, und das muss abgeklärt werden. All jene, die keine Epilepsie haben, sollen als solche erkannt werden, um nicht eine falsche Behandlung zu erfahren.

Jene, bei denen Epilepsie diagnostiziert wird, können bis zu 60 Prozent mit Medikamenten erfolgreich behandelt werden; im Vergleich ein sehr großer Prozentsatz. Hilft eine medikamentöse Therapie nicht, können neurochirurgische Methoden nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung zum Einsatz kommen. Hochkomplex in Diagnose und Durchführung haben sie eine vollständige Heilung der Patienten, die zum Teil mehrmals am Tage unter Anfällen leiden, zum Ziel. Jenes Areal der Hirnrinde, das Probleme verursacht – das kann sogar ein großer Teil des Stirnlappens sein – wird von Neurochirurgen entfernt, wenn es nicht zu nah an wichtige Funktionsareale angrenzt. Um herauszufinden, wo dies möglich ist, ist unter Umständen sogar die Implantation von Elektroden ins Gehirn notwendig. Auf der Epilepsie-Monitoring-Unit sind die betreffenden Patientinnen und Patienten durch ein Team aus Pflege und Medizinern videoüberwacht. Nach Absetzen aller Medikamente wird das Anfallsgeschehen beobachtet und diagnostiziert, aber auch nach einem epilepsiechirurgischen Eingriff kann der Patient zur Überwachung hier sein. Diese hochspezialisierte Einheit verfügt über vier Betten.

Verbleibende Fälle, denen auch eine OP keine Erleichterung verschafft, werden derzeit genetisch entschlüsselt, um auf diesem Wege Behandlungsmöglichkeiten finden zu können. Die Uniklinik für Neurologie unter der Leitung von Professor Eugen Trinka beherbergt das Europäische Referenzzentrum für seltene und komplexe Epilepsien in Salzburg, das einzige Typ-B-Expertisezentrum für dieses Gebiet in Österreich.

Zum Riskmanager wurde Leitinger 2019 zertifiziert und fand gleich ein großes Anwendungsfeld in der COVID-19-Krise. „Alle Abläufe waren auch in der CDK neu durchzudenken. Zunächst wurden alle Berufsgruppen einschließlich Sekretariat und Patiententransport in den Krisenstab der Neurologie geholt. Durch Einbeziehung der wichtigen Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen gelang es, tragfähige Strukturen zu etablieren, die die Gesundheit von Patientinnen und Patienten als auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sicherstellte. Ausgeklügelte Patientenpfade wie der ‚Stroke-Pfad‘ zur Behandlung von Menschen mit akutem Schlaganfall oder Status epilepticus stellten die weiterhin raschest mögliche State-of-the-art-Therapie selbst in COVID-Zeiten sicher.“ Für Leitinger war es eine Freude, an diesem gemeinsamen Schaffensprozess teilzuhaben. „Wir haben wie Zahnräder perfekt zusammengearbeitet. Ich bin begeistert“, so der Wahlsalzburger.

Derzeit schreibt er gerade an der Masterthese im Rahmen des Universitätslehrganges Health Sciences & Leadership, den Leitinger als „Beste Fortbildung meines Lebens“ bezeichnet.

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