Im Reinraum der Uniklinik für Nuklearmedizin und Endokrinologie verbirgt sich, abgeschirmt hinter Blei, ein eigener Radionuklidgenerator, der zur Erzeugung von radioaktiven Isotopen verwendet wird. „Vereinfacht gesagt werden die Isotope bei uns dann mit Vorläufersubstanzen unmittelbar vor der Anwendung am Patienten chemisch kombiniert und sehr zeitnah verabreicht. Andere Radiopharmaka wie der radioaktive Zucker ([18F]Fluorodeoxyglucose) werden in abgeschirmten Behältern täglich angeliefert, da man für die Herstellung gewisser radioaktiver Isotope einen Teilchenbeschleuniger (Zyklotron) benötigt. Diese sogenannten Radiopharmaka dienen dazu, physiologische Prozesse oder Tumore in bildgebenden Verfahren wie dem PET-CT (Positronen-Emissions-Tomographie in Kombination mit Computertomographie) sichtbar zu machen. Auch sind wir in der Lage, bösartige Krankheiten wie etwa das Prostatakarzinom oder neuroendokrine Tumore gezielt zu behandeln“, erläutert Dr. Anton Amadeus Hörmann, seines Zeichens Radiopharmazeut an der Nuklearmedizin und Endokrinologie des Uniklinikums Salzburg.
Nach Pharmaziestudium, Doktorat und Postdoc in Innsbruck ist er seit kurzem in Salzburg für die Herstellung der Radiopharmaka, deren Qualitätskontrolle und Freigabe zuständig. „Auch die Überwachung des Reinraumzustands fällt in meinen Aufgabenbereich. Dazu wird die Luft auf Partikel und Keime untersucht, Oberflächen und sogar das Personal auf mikrobielle Kontamination getestet. Da ich all diese Tests und Qualitätskontrollen selbst durchführe und etabliert habe, werden auch die Kosten für die Klinik drastisch reduziert.“
Dr. Hörmann: „Als ich in Innsbruck Pharmazie studiert habe, gab es ein Wahlfach Radiopharmazie. Das habe ich besucht. Nach dem Studium stand ich vor der Entscheidung: öffentliche Apotheke oder den weiteren akademischen Weg über ein Doktoratsstudium. Ich habe mich für letzteren Weg entschieden und meine Spezialisierung zum Radiopharmazeuten an der Abteilung für Nuklearmedizin in Innsbruck absolviert. Hier stand die Forschungstätigkeit im Vordergrund, wodurch ich kaum Patientenkontakt hatte. Da mir aber vor allem das Wohl der Patientinnen und Patienten am Herzen liegt, habe ich mich entschieden, hauptsächlich in der klinischen Routine Fuß zu fassen und die Versorgung mit Radiopharmaka an anderen Standorten zu erweitern und zu optimieren.“
„Radiopharmazeutika selbst bestehen entweder aus dem radioaktiven Isotop selbst, z.B. Iod-131, oder aus einer Kombination eines Trägermoleküls, das an einen bestimmten Ort im Körper binden soll, und einem radioaktiven Isotop. Wir verabreichen den Patienten so geringe Mengen der Substanz, dass sie keine pharmakologische Wirkung im Körper auslösen, aber dennoch genügend Radioaktivität enthalten, um den Ort der Substanz sichtbar zu machen oder zu therapieren. Dieses Prinzip wird auch Tracer Prinzip genannt“, so Dr. Hörmann.
„Zunächst einmal gibt es verschiedene Arten von Radioaktivität. Viele haben sicher schon von Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung gehört. Hier eine kurze Erklärung der Strahlungsarten: Gammastrahlung sind hochenergetische Photonen, genauer gesagt elektromagnetische Strahlung, wie auch die UV-Strahlung. Sie werden von angeregten Atomkernen ausgesandt und haben die höchste Durchdringungskraft. Je nach Energie werden einige Zentimeter Blei oder Wolfram benötigt, um sie abzuschirmen. Die Isotope, die diese Strahlung aussenden ‒ das bekannteste und am häufigsten verwendete ist Technetium-99m (m für metastabil) ‒ werden für die Szintigraphie verwendet, ein bildgebendes Verfahren, das in der Lage ist, Gammastrahlung in elektrische Signale umzuwandeln und so ein Bild zu rekonstruieren.
Der Betazerfall unterteilt sich in zwei Arten, die auch unterschiedlich genutzt werden. Der Beta-Plus-Zerfall tritt bei protonenreichen Kernen auf, die ein Proton in ein Neutron umwandeln und dabei ein so genanntes Positron emittieren. Bekannte Beispiele sind Gallium-68 oder Fluor-18. Ein Positron ist das Antiteilchen des Elektrons. Trifft ein Positron auf ein Elektron, so löschen sich die beiden Teilchen gegenseitig aus (Annihilation). Dabei entsteht Vernichtungsstrahlung, wiederum Gammastrahlung, die in einem Winkel von 180° zueinander abgestrahlt und von einem Ringdetektor registriert wird. Das bildgebende Verfahren nennt man PET (Positronen-Emissions-Tomographie); also auch wieder ein diagnostisches Verfahren.
In neutronenreichen Kernen wandelt sich ein Neutron unter Aussendung eines Elektrons in ein Proton um. Diese Elektronen verursachen im Körper verschiedene Wirkungen, die zum Zelltod führen können. Diese Isotope, die dem Beta-Minus-Zerfall unterliegen, werden in der Therapie eingesetzt. Ein sehr bekanntes Beispiel ist Lutetium-177, Yttrium-90 oder Iod-131. Da beim Beta-Zerfall Teilchen, also Elektronen oder Positronen ausgesendet werden, kann man diese wesentlich besser abschirmen, es kommt aber auch immer auf die Energie an.
Der Alphazerfall tritt bei schweren Kernen auf. Ein Alphateilchen ist ein Helium-Ion. Diese Teilchen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr viel Energie besitzen, diese aber auf sehr kleinem Raum abgeben. Sie können bereits von einem Blatt Papier abgeschirmt werden. Durch die hohe Energieabgabe sind sie extrem potente Kandidaten für die therapeutische Anwendung, leider auch sehr gefährlich für das Personal. Es gibt aber noch viele weitere Zerfallsarten“, merkt Anton Hörmann an.
„Das Risiko für den Patienten hängt einerseits von der Art der Strahlung, ihrer Energie, ihrer Halbwertszeit und vor allem der Menge der Radioaktivität ab. Eine PET/CT-Untersuchung ist hinsichtlich der Strahlenbelastung in etwa mit einer diagnostischen Ganzkörper-CT-Untersuchung vergleichbar. Bei dringenden Fragestellungen überwiegt der Nutzen eindeutig das Risiko. Allerdings sollten sich die Patienten von Kleinkindern und Schwangeren für eine kurze Zeit fernhalten. Darauf werden sie bei der Untersuchung hingewiesen.“
Die Herstellung von Radiopharmaka in einem Reinraum sei ein komplexer und streng regulierter Prozess, der höchste Präzision und Sorgfalt erfordere, fährt Anton Hörmann fort. „Alle Mitarbeiter, die den Reinraum betreten, müssen spezielle Schutzkleidung, wie sterile OP-Mäntel, Reinraumschuhe, Haarnetze, zwei Paar Handschuhe und Mundschutz tragen, um eine Kontamination der Medikamente zu vermeiden. In kontrollierter Umgebung werden die radioaktiven Isotope mit anderen chemischen Verbindungen kombiniert. Dabei kommen entweder so genannte Kits zum Einsatz, die eine möglichst einfache Herstellung ermöglichen, oder spezielle kassettenbasierte Synthesemodule, bei denen die Herstellung etwas komplexer ist, welche es aber erlauben, neue Radiopharmaka zu etablieren. Der gesamte Prozess wird überwacht und dokumentiert, um sicherzustellen, dass die Endprodukte den geforderten Spezifikationen entsprechen. Nach der Herstellung durchlaufen die Radiopharmaka eine strenge Qualitätskontrolle. Diese umfasst physikalische, chemische und biologische Tests, um die Reinheit, Wirksamkeit und Sicherheit der Produkte zu gewährleisten.“
Es muss stets darauf geachtet werden, die Strahlenbelastung für das Personal so gering wie möglich zu halten, was spezielle Abschirmungen und Sicherheitsprotokolle erfordert. Wir tragen Dosimeter am Körper und sogar an den Fingern, wir verwenden Pinzetten für mehr Abstand und Bleiabschirmungen. Bei uns hat noch nie ein Mitarbeiter die gesetzlichen Dosisgrenzwerte überschritten. Ein weiterer Punkt ist die kurze Halbwertszeit vieler radioaktiver Isotope und damit radioaktiver Arzneimittel. Das bedeutet, dass der gesamte Herstellungs- und Anwendungsprozess sehr zeitkritisch ist. Die Radiopharmaka müssen oft innerhalb weniger Minuten nach ihrer Herstellung appliziert werden, um ihre maximale Wirksamkeit zu entfalten. Eine präzise Planung und eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen ist daher unerlässlich. Wir sind aber ein perfekt eingespieltes Team, daher kommt es so gut wie nie zu Zeitverzögerungen, und jeder Patient bekommt zu seinem Termin das Radiopharmakon“, so Anton Hörmann.
An Universitäten und Forschungszentren würden ständig neue Moleküle entwickelt, die spezifisch an einen Rezeptor oder ein anderes Zielmolekül binden oder einen speziellen Transporter nutzen. Häufig seien diese Rezeptoren auf der Oberfläche von bösartigen Zellen vermehrt vorhanden. Durch chemische Modifikationen der Vorläufersubstanzen soll die Bindung gezielt verbessert und gleichzeitig die Stabilität im Körper erhöht werden. Anton Hörmann: „Bevor die Substanzen erstmals bei Patientinnen und Patienten eingesetzt werden, müssen sie zahlreiche Tests und die klinische Prüfung durchlaufen. Erst wenn genügend Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit vorliegen, die Synthese im Reinraum und die Qualitätskontrolle des Endprodukts validiert sind, darf das Radiopharmakon erstmals in der klinischen Routine am Patienten eingesetzt werden.
Erst kürzlich konnte ich mit einem solchen neuen Radiopharmakon den Ärzten ein Medikament an die Hand geben, das ihnen hilft, unklare Fragestellungen eindeutig zu beantworten. Für die Patienten hat das den Vorteil, dass weitere unnötige Untersuchungen wegfallen, Therapien viel gezielter eingesetzt werden können und die Heilungschancen steigen.“
Mit der Entwicklung neuer Technologien und Anwendungen ist die Radiopharmazie ein dynamisches und schnell wachsendes Fachgebiet. Stichwort personalisierte Medizin: In Zukunft sollen Radiopharmaka noch genauer auf die individuellen molekularen Eigenschaften eines Patienten abgestimmt werden. Auch neue Radionuklide sind in der Pipeline, vor allem Alpha-Teilchen emittierende Isotope für die Therapie wie Actinium-225 oder die besonders interessanten Auger-Elektronen emittierende Isotope, wie Terbium-161, die in der Lage sind, Schäden in benachbarten gesunden Zellen zu reduzieren.
„Was bedeutet das für den Patienten? Nun, zum einen ermöglicht dies noch gezieltere Diagnosen und vor allem Therapien, die noch effektiver wirken sollen und dabei gleichzeitig nebenwirkungsärmer sind. Außerdem wird das Gesundheitssystem entlastet, da unnötige Untersuchungen und Therapien wegfallen. Die Grundlagenforschung an Universitäten und Forschungsinstituten hilft, Rezidive, also ein Wiederauftreten von Krankheiten, schneller entdecken zu können. Wir blicken daher in eine strahlende Zukunft im Bereich der Medizin.“
Dr. Anton Hörmann hält neben der klinischen Routine auch Vorlesungen über Radiopharmazie an der Fachhochschule Salzburg sowie im Rahmen des Pharmaziestudiums an der Paracelsus Medizinischen Universität (PMU), um den Studierenden die Radiopharmazie näher zu bringen. Abseits seiner verantwortungsvollen Tätigkeit verbringt er seine freie Zeit im Fitnessstudio, beim Mountainbiken und Musikhören und hat zwei Katzen.