Die Kinder- und Jugendärztin Anna-Maria Schneider setzt sich mit viel Engagement und Herzblut für Kinder und Jugendliche ein, die eine chronisch entzündlichen Darmerkrankung haben. Bereits zum siebten Mal findet am 14. November die von ihr ins Leben gerufene Veranstaltung „Mit Schirm, Darm und Melone“ statt.
„Da die Themen wie Darm, Stuhlgang, Durchfall immer mit Scham behaftet sind, wollte ich, dass sich die Patientinnen und Patienten untereinander kennenlernen und ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind. Deshalb habe ich 2017 die Veranstaltung „Mit Schirm, Darm und Melone- Ein Abend für Kinder und Jugendliche mit CED und deren Eltern“ gegründet. Mittlerweile sprechen auch Betroffene am Podium und sollen als Vorbild für ein gutes und erfülltes Leben mit dieser Krankheit dienen. Weiters geht es um Wissensvermittlung und Krankheitskompetenz. Es besteht auch eine enge Kooperation mit der Selbsthilfegruppe, der österreichischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa Vereinigung (ÖMCCV)“, berichtet die Kinder- und Jugendärztin Anna-Maria Schneider.
Zeitgerecht zur heurigen Veranstaltung im November 2024 wurde gemeinsam mit dem Grafiker Aron Cserveny, das Maskottchen „Tino“ ins Leben gerufen. „Tino leitet sich vom Wort ‚Intestinum‘ also dem Darm ab und soll eine Identifikationsfigur für die Veranstaltung und unsere Projekte, aber auch für die Jugendlichen sein und könnte zukünftig auch in der Kommunikation, als Art, ‚Geheimcode‘, eine Rolle spielen“, so die Kinderärztin.
Die Symptome umfassen unter anderem Bauchschmerzen, Durchfälle, Blut im Stuhl, Gewichtsverlust und Mangelernährung. Die Symptome können aber oft auch unspezifisch sein und nicht nur den Magen-Darm-Trakt betreffen. Die Zeit bis zur Diagnosestellung ist oft lange.
Die Entstehung ist bisher ungeklärt. Es ist ein komplexes Zusammenspiel aus genetischer Prädisposition, dysreguliertem Immunsystem, veränderter Zusammensetzung des Mikrobioms und Umweltfaktoren.
„Die Umweltfaktoren sind das, was uns am meisten beschäftigt. Weltweit steigt die Anzahl der bestehenden Fälle und die Anzahl der neu aufgetretenen Fälle von CED rasant. Ein Beispiel ist Indien, das von einem ‚Dritten Welt‘-Land, wo es kaum CED gab, nun industrialisiert wird und die Zahlen dort stark ansteigen. Es gibt auch mittlerweile Daten, dass unsere ‚westliche Diät‘ einen negativen Einfluss auf den Darm hat. Es geht hier vor allem um prozessiertes Essen, Fertigprodukte/Fast Food und dass generell ZU VIEL konsumiert wird“, so Anna-Maria Schneider weiter.
In Österreich gab es im Jahr 2020 rund 66.000 Erkrankte, Prognosen zufolge sind es zehn Jahre später, 2030, 90.000, sprich ein Drittel mehr.
In 15 bis 20 Prozent aller Erstdiagnosen sind die Patientinnen und Patienten unter dem 20. Lebensjahr. Die meisten davon im Pubertätsalter. In einer Zeit, wo sowieso schon alles schwierig ist und man nicht mit sich selbst und schon gar nicht mit den anderen zurechtkommt.
„Dann ist auch der Krankheitsverlauf im Jugendalter anders. Wir wissen, dass, je früher die Erkrankung auftritt, so ausgeprägter ist sie meistens. In dieser vulnerablen Phase braucht der Körper viel Energie für die normalen Dinge und er darf nicht zusätzlich durch einen entzündeten Darm geschwächt werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir eine Therapie finden, die Wachstum und Pubertätsentwicklung unterstützt und möglichst wenig Nebenwirkungen hat. Eine gute Knochengesundheit wird in diesen Jahren aufgebaut und ist essentiell für das ganze Leben.“
„Chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind zum aktuellen Zeitpunkt nicht heilbar. Wir haben aber gottseidank eine Vielzahl an Therapien, die es ermöglichen sollen ein normales Leben zu führen. Das ist für mich das wichtigste und das möchte ich den Jugendlichen und deren Eltern mitgeben. Ein anderer Begriff dazu wäre ‚gesund mit Medikamenten‘.“
Viele Medikamente sind aber für Kinder nicht zugelassen. Die Vernetzung international und national und das Zusammentragen von klinischen Daten in großen, multizentrischen Studien zu Wirkung und Sicherheit von Medikamenten in der Pädiatrie, ist deshalb wichtig.
Eine Besonderheit im Kindes- und Jugendalter ist sicherlich, dass neben medikamentösen Therapien auch sehr viel mit Ernährungstherapien gearbeitet wird. Mit sogenannten „Trinknahrungen“ kommt der Darm, gerade am Anfang der Erkrankung, zur Ruhe und außerdem werden die Patientinnen und Patienten mit allen notwendigen Nährstoffen und Kalorien versorgt.
„Eine wichtige Aufgabe ist es die Jugendlichen psychosozial zu unterstützen. Die Krankheit ist, im wahrsten Sinne des Wortes ‚ein Scheiß‘. Wir sehen, dass das Selbstwertgefühl, die Sexualentwicklung, der Beziehungsaufbau und auch körperliche Aktivität oder Ausbildung bei Jugendlichen mit CED leiden“, berichtet die Kinderärztin. Hier für die Patientinnen und Patienten da zu sein und sie zu unterstützen, ist für Anna-Maria Schneider die wichtigste Aufgabe.
Wenn man die Medizinerin nach ihrem Wunsch für die Zukunft fragt, ist die Antwort eindeutig: „Ich wünsche mir, dass wir uns mehr trauen über Verdauung und Stuhlgang zu sprechen und so den Menschen, die hier von einer Krankheit betroffen sind die Möglichkeit geben weiterhin Teil unserer Gesellschaft zu sein, ohne sich schämen zu müssen. Für meine Kinder und Jugendlichen, die ich betreue, wünsche ich mir, dass ich irgendwann durch Spenden oder Drittmittel eine Psychologin finanzieren kann.“
Vor 34 Jahren wurde Anna-Maria Schneider in Salzburg geboren.
„Ich lebe laut und voller Begeisterung, manchmal auch energisch und immer neugierig, mein Chef sagt ‚Hans Dampf in allen Gassen‘, mein Partner sagt ‚energiegeladen‘“, beschreibt sich Anna-Maria Schneider mit einem Schmunzeln selbst.
Und: „Dass was ich mache, mache ich aus intrinsischer Freude und mit Elan- ‚Geht nicht gibt’s nicht‘. Der Kontakt zu den Patientinnen und Patienten und zu den Familien ist mir das wichtigste. Genauso aber auch zu meinen Kolleginnen und Kollegen. Das Kinderspital ist für mich wie meine zweite Familie und ich bin froh und dankbar, dass hier so viele verschiedene Persönlichkeiten im Team sind und jeder authentisch sein darf, so auch ich.
Neben der klinischen Tätigkeit unterrichtet Schneider auch an der PMU und ist in der Curriculumsentwicklung aktiv.
„Kinderärztin zu sein ist für mich die schönste Tätigkeit. Es ist weit mehr als ein Beruf.“
In ihrer Freizeit schätze sie die Ruhe und verbringt ihre Zeit gerne in einer Hütte in den Bergen. „Dort ist das Leben so einfach und pur mit Kochen am Holzofen und Anpassung an die Witterung. Ebenso ist mir der tägliche Arbeitsweg am Rad aus Elixhausen sehr wichtig, man kommt frisch und munter in der Arbeit an und am Abend kann man Stress und Aufregung hinter sich lassen.“