Medikamentöse Behandlung des Mammakarzinoms

Die endokrine Therapie des Mammakarzinoms
Das Hauptziel der adjuvanten Therapie ist die Reduktion der Rezidiv- und Mortalitätsraten durch die Beseitigung von möglicherweise nach der Operation noch vorhandener und nicht nachweisbarer einzelner Tumorzellen oder Mikrometastasen.
Voraussetzung für eine endokrine Therapie ist die entsprechende Expression von Hormonrezeptoren (Östrogenrezeptoren ER und/oder Progesteronrezeptoren PR) des Tumors. In der 10. St. Gallen Konsensus Konferenz 2007 wurde zwischen hohem endokrinem Ansprechen (hohe Expression von ER und PR in der Mehrheit der Zellen), teilweise endokrinem Ansprechen (niedrige Expression von ER und/oder PR) und keinem endokrinen Ansprechen (keine Expression von ER und PR) unterschieden. Entsprechend diesem Hormonrezeptor Expressionsmuster und dem Risikostatus der Patientin kann die endokrine Therapie allein oder in Kombination mit anderen Systemtherapien erfolgen (Goldhirsch et al., 2007).


Adjuvante endokrine Therapie der prämenopausalen Patientin
Tamoxifen ist bei der prämenopausalen ebenso wie bei der postmenopausalen Patientin wirksam (EBCTCG, 2005). Bei der prämenopausalen Patientin kann Tamoxifen Monotherapie als Standard angesehen werden während die Aromatasehemmer als Monotherapie aufgrund ihres Wirkmechanismus kontraindiziert sind. Die Kombination von Tamoxifen mit GnRH-Analoga ist in ihrer Effektivität belegt (Baum et al., 2006; Cuzick et al., 2007), die Kombination von Aromatasehemmern mit GnRH-Analoga ist derzeit noch Gegenstand von Studien (ABCSG 12, SOFT, TEXT, PERCHE). Präliminäre Daten aus der ABCSG 12 zeigten keinen Vorteil von GnRH-Analoga Kombination mit Anastrozol versus GnRH-Analoga Kombination mit Tamoxifen. Durch die zusätzliche Gabe von Zoledronat konnte allerdings in beiden Kombinationen eine signifikante Senkung der Rezidive gezeigt werden.
Für die Patientin mit niedrigem Rezidivrisiko ist Tamoxifen 20mg/Tag als Monotherapie für 5 Jahre zu empfehlen. Für Patientinnen jünger als 35 Jahre wird die zusätzliche Verabreichung von GnRH-Analoga für 2-5 Jahre empfohlen.
Bei zusätzlicher Indikation zur Chemotherapie ist die endokrine Therapie sequentiell nach Abschluss der Chemotherapie zu verabreichen. Die Indikation einer alleinigen endokrinen oder chemo-endokrinen Therapie ist vom Rezidivrisiko abhängig. Bei hohem oder intermediärem Rezidivrisiko kann im Anschluss an die Chemotherapie Tamoxifen als Monotherapie oder Tamoxifen in Kombination mit GnRH-Analoga verabreicht werden.
Generell ist die optimale Behandlungsdauer für die prämenopausale Patientin für Tamoxifen 5 Jahre und für GnRH-Analoga 2-5 Jahre. Die chirurgische Entfernung der Ovarien kann in Erwägung gezogen werden.


Adjuvante endokrine Therapie der postmenopausalen Patientin
Prinzipiell ist bei der Patientin mit ER und/oder PR positivem Tumor eine endokrine Therapie indiziert (LOE 1a, Empfehlungsgrad A). Abhängig vom Rezidivrisikoprofil der Frau ist eine zusätzliche Chemotherapie notwendig. In diesem Fall ist die endokrine Therapie erst nach Abschluss der Chemotherapie (sequentiell) durchzuführen.
Standard ist eine endokrine Therapie für zumindest 5 Jahre Gesamtdauer. An Substanzen stehen in der adjuvanten Situation Tamoxifen (20 mg/Tag) sowie Aromatasehemmer der 3. Generation (Anastrozol 1mg/Tag, Letrozol 2,5mg/Tag und Exemestan 25mg/Tag) zur Verfügung. Verschiedene Therapiestrategien zur Sequenz der Substanzen werden in ihren Vor- und Nachteilen diskutiert und sind gleichermaßen anwendbar bis neuere Daten dazu verfügbar sein werden.
Die adjuvante Tamoxifentherapie kann nach den Oxford Overview Daten eine relative Reduktion von 40% für das Rezidiv und von 31% für die Mortalität über 15 Jahre bewirken. Der Nutzen der adjuvanten Tamoxifentherapie besteht für Hormonrezeptor-positive Patientinnen jeden Alters und unabhängig von Nodalstatus, Menopausenstatus oder Einsatz einer adjuvanten Chemotherapie. Auch nach St. Gallen 2007 gibt es nach wie vor eine Gruppe von Patientinnen, für die 5 Jahre Tamoxifen eine Option ist (z.B. Unverträglichkeit von Aromatasehemmern, ausgeprägte Osteoporose). Grundsätzlich ist allerdings eine primäre Tamoxifentherapie für 5 Jahre ist aufgrund der Datenlage nicht mehr als Standard anzusehen. Eine länger als 5 Jahre dauernde Therapie mit Tamoxifen ist nicht zu empfehlen.
Aufgrund mehrerer randomisierter Studien ist belegt, dass Aromatasehemmer der 3. Generation eine Überlegenheit gegenüber Tamoxifen in Hinblick auf das rezidivfreie Überleben aufweisen. Unter Aromatasehemmertherapie treten signifikant weniger Metastasen und kontralaterale Mammakarzinome auf als unter Tamoxifentherapie, bei gleichzeitig günstigerem Nebenwirkungsprofil. Vorteile der Aromatasehemmer sind das geringere Risiko für Endometriumkarzinom und das reduzierte Thromboserisiko im Vergleich zu Tamoxifen, allerdings bei erhöhten Raten an Myalgien, Arthralgien und erhöhtem Osteoporoserisiko.
Grundsätzlich stehen drei Therapiestrategien für Aromatasehemmer zur Verfügung:

  1. Upfront Therapie mit Aromatasehemmern
    Für den Ersteinsatz der Aromatasehemmer nach operative Therapie des Mammakarzinoms sprechen die Daten aus Studien mit dem Soforteinsatz der Aromatasehemmer (ATAC Trial, BIG 1-98). Sowohl für Anastrozol wie auch für Letrozol konnte ein signifikanter Vorteil gegenüber Tamoxifen für das Rezidiv-freie Überleben gezeigt werden (Baum et al., 2002; Howell et al., 2005; Forbes et al., 2008; Thürlimann et al., 2005; Coates et al., 2007).

  2. Switch Therapie
    Die Daten aus den Switch- oder Sequenzstudien (ABCSG 8, ARNO, ITA, IES) zeigen nach einem Wechsel von Tamoxifen nach 2-3 jähriger Einnahme auf einen Aromatasehemmer (Anastrozol oder Exemestan) für 3-2 Jahre einen signifikanten Vorteil in Hinblick auf das Rezidiv-freie Überleben im Vergleich zu 5 Jahren Tamoxifentherapie. Zu beachten ist allerdings in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt der Randomisierung zu Beginn der Studie oder nach 2-3 jähriger Tamoxifentherapie (Jakesz et al., 2005; Boccardo et al., 2005; Boccardo et al., 2006; Jonat et al., 2006; Coombes et al., 2004; Coombes et al., 2007).

  3. Verlängerte Therapie über 5 Jahre
    Die verlängerte adjuvante endokrine Therapie mit einem Aromatasehemmer (MA.17, ABCSG 6a, NSABP B 33) Letrozol oder Anastrozol  führt zu einer signifikanten Reduktion der Rezidivraten verglichen mit keiner weiteren Therapie (Goss et al., 2003; Goss et al., 2005; Goss et al., 2007; Jakesz et al., 2007; Mamounas et al., 2008). Welcher Therapiestrategie(upfront versus switch) der Vorzug gegeben wird, ist mangels vergleichender Daten noch nicht endgültig belegt und somit individuell zu überlegen. Für den sofortigen Einsatz der Aromatasehemmer spricht, die wirksamste Substanz sofort einzusetzen um das Rezidivrisiko in den ersten Jahren maximal zu senken. Die Daten aus der BIG 1-98 Studie zur optimalen Sequenzstrategie (upfront versus switch) sind demnächst zu erwarten. Die verlängerte Therapie mit einem Aromatasehemmer nach 5 Jahren endokriner Therapie ist in jedem Fall zu empfehlen. Die optimale Therapiedauer für einen Aromatasehemmer ist noch nicht definiert ist und wird aus laufenden Studien erwartet.

Endokrine Therapie der Patientin mit metastasiertem Mammakarzinom
Bei der Hormonrezeptor-positiven Patientin mit metastasiertem Mammakarzinom ist die endokrine Therapie die Therapieform der ersten Wahl. Voraussetzung ist soweit möglich die Bestimmung des Rezeptorstatus der Metastase, da dieser sich im Verlauf der Erkrankung ändern kann. Die Therapiekaskade der endokrinen Substanzen ist abhängig von den bereits im adjuvanten Setting bzw. im progredienten Setting erfolgten Vortherapien. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Substanzen im adjuvanten Setting steht nun auch Fulvestrant als kompletter Östrogenrezeptorblocker zur Verfügung, der bereits nach Versagen von primärer Aromatasehemmertherapie eingesetzt werden kann. Vorteile von verschiedenen Kombinationen der endokrinen Substanzen mit Chemotherapie und/oder Antikörpertherapie werden in diversen Studien geprüft.  

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