Universitätsklinik für Neurochirurgie
Christian-Doppler-Klinik
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DEFINITION
Unter Bewegungsstörungen versteht man krankhafte Veränderungen des natürlichen Bewegungsablaufes. Wenn wir im Alltag Bewegungen ausführen, wie zum Beispiel nach einem Wasserglas greifen, tun wir das ohne nachzudenken, weil alles von verschiedenen Regionen des Zentralnervensystems automatisch gesteuert wird. Dabei stehen sehr komplexe Regelkreise zwischen bewegungssteigernden und bewegungshemmenden Reizen in einem ausgewogenen Gleichgewicht. Bei einer Störung dieses Gleichgewichtes entstehen verschiedene Bewegungsstörungen. Beim Überwiegen von bewegungssteigernden Reizen entstehen überschießende Bewegungsmuster wie zum Beispiel Zittern, sodass Wasser aus dem Glas verschüttet wird. Beim Überwiegen von bewegungshemmenden Reizen entsteht ein starres Bewegungsbild, sodass ein Greifen nach dem Wasserglas kaum möglich ist.
ERKRANKUNGEN
Zu einer der bekanntesten Bewegungsstörungen zählt der Morbus Parkinson, der neurochirurgisch meist gut behandelbar ist. Das gilt auch für die weniger bekannten Erkrankungen wie den essentiellen Tremor und die zervikale Dystonie.
Morbus Parkinson:
Die Erkrankung ist nach dem englischen Arzt James Parkinson benannt, der sie 1817 in seinem Werk „ An Essay on the Shaking Palsy“ (Eine Abhandlung über die Schüttellähmung) beschrieb.
Definition:
Diese Erkrankung ist auch unter den Bezeichnungen Schüttellähmung, Paralysis agitans, Parkinson‘sche Krankheit oder idiopathisches Parkinsonsyndrom (IPS) bekannt. Dabei handelt es sich um eine degenerative Erkrankung von tiefen Hirnarealen im Mittelhirn, der Schwarzen Substanz (substantia nigra), welche den Botenstoff Dopamin produziert. Beim Morbus Parkinson verkümmert die Schwarze Substanz und es kommt zum Dopamin-Mangel. Da dieses Hormon unter anderem ein wichtiger Botenstoff im Regelkreis der bewegungshemmenden und bewegungssteigernden Abläufe im Zentralnervensystem ist, entstehen die typischen Symptome des Morbus Parkinson:
Leitsymptome:
Bewegungsverlangsamung (Bradykinese):
Darunter versteht man eine Verlangsamung der Bewegungen, was sehr häufig im Frühstadium des Morbus Parkinson auftritt. Das unbeachtete Erstsymptom ist meist das fehlende Mitbewegen der Arme beim Gehen. Im weiteren Verlauf kann das Gesicht maskenartig starr werden, die Stimme wird leiser, die Schrift wird kleiner und die Hände werden zunehmend ungeschickt, und es entsteht ein kleinschrittiges Gangbild. Im weiteren Verlauf kann sich die Verlangsamung bis zur Bewegungslosigkeit (Akinesie) steigern, wobei die Patienten in einer starren Bewegungslosigkeit verharren.
Ruhezittern (Ruhetremor):
Darunter versteht man unwillkürliche, rhythmische Bewegungen in Ruhe, die in ihrer Richtung entgegengesetzt sind und sich 4 - 6 Mal pro Sekunde wiederholen. Dadurch entsteht das sogenannte Geldzählphänomen: Dabei wird der Daumen und der Zeigefinger gegeneinander gerieben, als würde der Patient Geld zählen. Der Tremor kann so schwerwiegende Ausmaße annehmen, dass die Verrichtung einfacher, alltäglicher Tätigkeiten unmöglich werden kann.
Muskelstarre (Rigor):
Darunter versteht man eine erhöhte Anspannung der Muskulatur, was vom Patienten als Muskelsteifigkeit empfunden wird. Das sogenannte Zahnradphänomen beruht darauf, dass das Loslassen der Muskulatur nur ruckweise erfolgt. Ein Arm lässt sich nur ruckartig gegen einen erhöhten Widerstand bewegen, so als würde man ihn über ein Zahnrad ziehen. Durch die Muskelanspannung entsteht eine gekrümmte vornüber gebeugte Haltung mit Beugung der Ellenbogen und der Knie.
Haltungsinstabilität (posturale Instabilität):
Darunter versteht man eine ungenügende Stabilität bei sitzender oder stehender Körperhaltung. Die Patienten müssen immer wieder bewusst ihre Haltung korrigieren, damit sie das Gleichgewicht halten können. Dies macht sich in unsicheren und wackeligen Korrekturbewegungen bemerkbar. Die vermehrte Unsicherheit kann die Haltungsinstabilität verstärken und die Sturzgefahr vergrößern.
Weitere Symptome:
Während die Leitsymptome mit einer großen Regelmäßigkeit auftreten, gibt es manchmal zusätzliche Erscheinungen wie Störung der Wahrnehmung, wie Missempfinden bei Berührung, Gelenks- und Muskelschmerzen und Geruchsverminderung. Auch vegetative Störungen wie Blutdruckschwankungen, Blasenentleerungsstörung, Salbengesicht (glänzend fettige Gesichtshaut) und Temperaturregulationsstörung mit Schwitzen und Gefäßerweiterung können auftreten. Psychische Veränderungen, wie Niedergeschlagenheit, Sinnestäuschungen (Halluzinationen) und Gedächtnisstörungen sind manchmal möglich.
Verlauf:
Die Erkrankung beginnt langsam und schleichend und verläuft auch bei Therapie langsam fortschreitend.
Diagnose und Therapie:
Sowohl die Diagnose als auch die medikamentöse Behandlung erfolgt durch den Facharzt für Neurologie. Sollte mit den Medikamenten im Laufe der Zeit eine ungenügende Kontrolle der Beschwerden bestehen oder die Nebenwirkungen überwiegen, kann eine tiefe Hirnstimulation in Betracht gezogen werden.
Atypische Parkinsonsyndrome und Differenzialdiagnosen:
Darunter versteht man Erscheinungen, die dem Morbus Parkinson ähnlich sind, aber durch andere Faktoren ausgelöst werden. Dazu gehören degenerative Erkrankungen, die nicht die Substantia nigra betreffen, wie zum Beispiel die „kortiko-basale-Degeneration“, das „Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom“ und die „Multi System Atrophie“. Andere Erkrankungen, die mit einem Tremor einhergehen, wie zum Beispiel der „essentielle Tremor“, können vom Facharzt für Neurologie unterschieden werden. Auch Entzündungen und Vergiftungen sowie Durchblutungsstörungen des Gehirnes können Bewegungsstörungen verursachen. Jeder Mensch hat einen gewissen physiologischen Tremor, vor allem bei Aufregung, der keinen Krankheitswert besitzt und normal ist.
Essentieller Tremor:
Definition:
Darunter versteht man ein familiär gehäuft auftretendes Zittern, das bei Aktivität der Hände zunimmt und in Ruhe wieder verschwindet. Er wird auch familiärer oder zerebellärer (cerebellum, das Kleinhirn) Tremor genannt.
Symptome:
Das Zittern tritt bei Bewegungen und beim Halten von Gegenständen auf, mit einer Frequenz von 5 - 6 Mal pro Minute. Es verstärkt sich, sobald die Hand ihrem Ziel näherkommt. So kann es sein, dass ein Patient ein Wasserglas nehmen möchte, wobei anfänglich die Hand ruhig ist. Nähert sich die Hand aber dem Wasserglas, beginnt sie immer unruhiger zu werden, bis schlussendlich das gesamte Wasser verschüttet ist. Nach dem Abstellen des Glases wird die Hand wieder ruhig. So kann es unmöglich werden, Tätigkeiten des Lebens zu verrichten.
Verlauf:
Die Erkrankung kann von der Kindheit bis ins hohe Alter auftreten. Üblicher Weise ist nur eine Hand betroffen. Ein Großteil ist familiär gehäuft, wobei eine Vererbung bis dato noch nicht nachgewiesen ist. Es gibt aber auch spontanes Vorkommen. Bei manchen Patienten nimmt die Tremor-Intensität mit der Zeit zu, wobei die Frequenz meist abnimmt.
Diagnose und Therapie:
Die Diagnose erfolgt durch den Facharzt für Neurologie. Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten sind derzeit sehr eingeschränkt. Eine tiefe Hirnstimulation oder Ablation zeigt meist ausgezeichnete Erfolge.
Differenzialdiagnosen:
Der essentielle Tremor muss vom Morbus Parkinson und anderen Erkrankungen wie zum Beispiel der „kortiko-basale-Degeneration“, dem „Steele-Richardson-Olszewski-Syndrom“ und der „Multi System Atrophie“ unterschieden werden. Auch Entzündungen und Vergiftungen sowie Durchblutungsstörungen des Gehirnes können Bewegungsstörungen verursachen. Jeder Mensch hat einen gewissen physiologischen Tremor, vor allem bei Aufregung, der keinen Krankheitswert besitzt und normal ist.
Zervikale Dystonie:
Definition:
Bei Dystonien handelt es sich um eine Gruppe von Bewegungsstörungen, deren Ursprung in tiefen Hirnregionen liegt. Meist äußern sich Dystonien in Verkrampfung der Muskulatur und daraus resultierenden Fehlhaltungen. Eine Form davon betrifft die Halsmuskulatur und wird zervikale Dystonie genannt.
Symptome:
Durch die Verkrampfung der Halsmuskulatur entsteht eine Schiefhaltung des Halses, der sogenannte „Torticollis“, wobei der Kopf nicht in eine gerade Haltung gebracht werden kann. Häufig kommt es zu einem Schulterhochstand. Der Muskelhartspann ist äußerst schmerzhaft.
Verlauf:
Am Beginn wechseln Symptome und symptomenfreie Intervalle. Es gibt schleichend und plötzlich beginnende Verläufe. Mit den Jahren kommt es jedoch zu einem Fortschreiten der Beschwerden. Durch die dauernde Fehlhaltung können schwerwiegende Skelett- und Muskelveränderungen entstehen.
Diagnose und Therapie:
Die Diagnose erfolgt durch den Facharzt für Neurologie. Die Physiotherapie sollte ein fixer Bestandteil der Behandlung sein. Es gibt medikamentöse Behandlungen sowie Infiltrationsmöglichkeit mit Botulinumtoxin. Bei Erfolglosigkeit ist eine tiefe Hirnstimulation möglich.
Differenzialdiagnosen:
Es gibt psychogene Erkrankungen wie „Tics“, die vorübergehend ähnlich Symptome zeigen können. Erkrankungen wie die „Chorea Huntington“, „Ballismus“, die Kupferspeicher Krankheit (Morbus Wilson) und verschiedene Tumore sollen ausgeschlossen werden. Auch Medikamente können als Nebenwirkung vorübergehend zu ähnlichen Symptomen führen.
Ballismus:
Definition:
Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet herumwerfen oder schleudern. Die Ursache liegt in einer Erkrankung einer tiefen Hirnregion, dem Nucleus subthalamicus.
Symptome:
Es zeigen sich plötzliche, unwillkürliche und heftige Schleuderbewegungen der Arme und Beine, die der Patient nicht unterdrücken kann. So kann es unmöglich werden, gezielte Bewegungen durchzuführen, und es kann durch die unkontrollierten Bewegungen zur Selbstgefährdung kommen.
Verlauf:
Die Erkrankung kann einseitig (Hemiballismus) oder beidseitig auftreten. Ist nur eine Extremität betroffen, spricht man von Monoballismus. Der Verlauf ist uneinheitlich, wobei auch Fälle mit Progression beschrieben werden. Es gibt auch Patienten, bei denen die Beschwerden spontan wieder abgeklungen sind.
Diagnose und Therapie:
Die Diagnose erfolgt durch den Facharzt für Neurologie. Es gibt medikamentöse Therapien, bei Erfolglosigkeit kann eine tiefe Hirnstimulation oder eine Ablation erfolgen.
Differenzialdiagnosen:
Erkrankungen wie die „Chorea Huntington“, „Ballismus“, die Kupferspeicher Krankheit (Morbus Wilson) und verschiedene Tumore sollen ausgeschlossen werden. Auch hier können bestimmte Medikamente vorübergehend zu ähnlichen Symptomen führen.